Hintergrundverlauf-1 PFD Görlitz

Projekte, wie geht's euch? III

Antworten vom Projekt "KONTAKT"

Wie geht es Ihnen persönlich?

Momentan geht es mir gut und ich habe das Gefühl, als würden sich Schwierigkeiten innerhalb der Beratungstätigkeit bald etwas lockern, was mich sehr freut.

Was bedeutet soziale Distanzierung für Ihre tägliche Arbeit? Wie macht sich die aktuelle Lage bei Ihnen im Verein bemerkbar?

Für uns, als PfD-gefördertes Projekt, ist die Arbeit sehr schwierig geworden. Insbesondere dadurch, dass das Projekt seit ich dort arbeite erst drei Wochen in seiner eigentlichen Form geöffnet war. In dieser Zeit war es natürlich nicht möglich, dass die Beziehungsarbeit so weit vorangeschritten war, als dass ich einen guten Zugang zu den Besucher*innen herstellen konnte. Das macht insbesondere für mich die jetzige Arbeit im Projekt schwierig. Allerdings haben meine beiden Kollegen, welche beide arabischsprachig sind, einen besseren Zugang, weswegen die Arbeit in reduzierter Form trotzdem möglich ist.

Gibt es trotzdem Dinge, die jetzt passieren/ vorangetrieben werden? Werden Projekte angepasst oder entsteht sogar Neues?

Natürlich versuchen wir, unser Angebot online so gut es geht umzusetzen. Der offene Treff war aber über das Beratungsangebot hinaus ein sozialer Treffpunkt für Menschen mit Fluchthintergrund. Diese Komponente lässt sich online natürlich schlecht ersetzen.

Was ist aktuell Ihre größte Sorge und wie gehen Sie damit um?

Die größte Sorge ist, dass das Projekt eingestellt wird. Das ist kein egoistischer Gedanke. Die Probleme der Besucher*innen, die die Beratung normalerweise in Anspruch nehmen, fallen ja nicht weg, weswegen ich mich eher um diese Menschen sorge, die auf unsere Unterstützung ein Stück weit angewiesen sind.

Wird die Corona-Krise bzw. die damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens Ihrer Meinung nach langfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft haben?

Ich hoffe natürlich, dass sich positive Aspekte hinsichtlich der Einschränkungen nachhaltig im Bewusstsein von Menschen verfestigen. Also dass Dinge, welche sonst als selbstverständlich angesehen werden, wieder eine größere Wertschätzung erfahren. Zudem hoffe ich, dass der solidarische Gedanke, der in diesen Zeiten propagiert wird, auch über die Krise hinaus einen wichtigen Stellenwert innerhalb der Gesellschaft einnehmen wird.

Allerdings habe ich auch die Befürchtung, dass Verschwörungstheorien und radikale Gruppen, die solche Verbreiten, einen größeren Zulauf bekommen.

Es ist aber aus meiner Sicht schwer zu sagen, wie sich die Dinge in Zukunft verhalten. Wer weiß, ob der Zustand vor Corona, mit all den Freiheiten überhaupt wieder zustande kommt. Ich bin darüber hinaus aber überzeugt, dass es wichtig ist, sich die Rechte, sobald die Pandemie abebbt, wieder einzufordern!

Wie geht's Ihnen mit geschlossenen Grenzen zu den unmittelbaren Nachbarländern Polen und Tschechien?

Die Tatsache, dass die Grenzen geschlossen sind, macht mir große Sorgen. Ich bin zwar bis auf den Fakt, dass ich immer gerne nach Polen und Tschechien gefahren bin, um dort Ausflüge zu machen, nicht direkt von Schließungen betroffen. Allerdings habe ich die Sorge (auch in Anbetracht der politischen Situation in den beiden Ländern), dass die Grenzen geschlossen bleiben, was für mein Empfinden sehr schlimm wäre. Dadurch würden die Bemühungen der Zusammenarbeit zwischen den Ländern um Jahre zurückgeworfen.

Oft wird derzeit ein Wir-Gefühl beschworen. Es wird gesagt, wir müssen gemeinsam diese Krise jetzt durchstehen. Wir müssen uns alle an die Regeln halten usw. Haben Sie das Gefühl, dass sich auch Migrant*innen in Görlitz von diesem Wir-Gefühl angesprochen fühlen?

Aus meinen Erfahrungen im Austausch mit meinen Kolleg*innen, den Besucher*innen unseres Angebotes und meiner Partnerin, die ebenfalls in der Integrationsarbeit tätig ist, kann ich diese These leider nicht bestätigen. Ich habe dahingehend eher das Gefühl, dass bei migrierten Menschen eher nochmal besonders darauf geschaut wird, ob die Gesetze und Regelungen eingehalten werden. Das verstärkt bereits vorhandene Rassismen, gruppenbezogene Abwertungen und eine Art „Ist doch klar, dass die sich nicht daran halten“-Denken.

Ich kenne aus meinem privaten Umfeld auch gegenteilige Beispiele, aber die scheinen mir eher die Ausnahme zu sein.

Wenn Sie sich gerade etwas wünschen könnten (z.B. von der Stadt-, Landes-, Bundespolitik oder von anderen Stellen), was wäre das? Was brauchen Sie jetzt und in der Zeit nach Corona.

Ich wünsche mir, dass neben den Investitionen in Unternehmen der Wirtschaft die sozialpädagogische Arbeit mehr Stellenwert innerhalb der Gesellschaft erlangt. Dafür halte ich es für notwendig, dass hier die Bedingungen für Arbeitende in diesem Feld und auch für Projekte einfacher und praktikabler werden. Ich denke, dass gut ausgebildete Menschen in diesem Bereich einen wichtigen Anteil leisten, damit die Gesellschaft so gut es geht funktioniert. Oft habe ich aber das Gefühl, dass in diesem Feld so viel mehr möglich wäre, würde versucht werden, Probleme im Kern zu lösen und nicht nur einzelne „kleine Wunden“ zu heilen.

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